20160706CEST144947+0100 Anforderungen an zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Vorabentscheidungsersuchen den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um die Klärung der Anforderungen gebeten, die im Umsatzsteuerrecht an eine ordnungsgemäße Rechnung zu stellen sind, damit der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
In der Sache geht es um die Frage, ob die von einem Unternehmer geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus Rechnungen auch dann abziehbar sind, wenn es sich unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift des Lieferers lediglich um einen „Briefkastensitz“ gehandelt hat, oder ob nur die Angabe derjenigen Anschrift des leistenden Unternehmers zum Vorsteuerabzug berechtigt, unter der der leistende Unternehmer seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet.
Beide Fälle betreffen KFZ-Händler
In dem einem Fall erwarb ein KFZ-Händler PKWs von einem Onlinehändler. In dessen Rechnungen war eine Anschrift angegeben, an der der Online-Händler zwar Räumlichkeiten angemietet hatte, die aber nicht geeignet waren, um dort geschäftliche Aktivitäten zu entfalten. Im anderen Fall ging es ebenfalls um einen KFZ-Händler, der Fahrzeuge erwarb. Unter der vom Verkäufer in seinen Rechnungen angegebenen Anschrift befand sich zwar sein statuarischer Sitz; es handelte sich hierbei jedoch um einen „Briefkastensitz“, unter der der Verkäufer lediglich postalisch erreichbar war und wo keine geschäftlichen Aktivitäten stattgefunden haben.
In beiden Fällen sieht es der BFH als klärungsbedürftig an, ob eine zum Vorsteuerabzug erforderliche Rechnung die „vollständige Anschrift“ bereits dann enthält, wenn der leistende Unternehmer in der von ihm über die Leistung ausgestellten Rechnung eine Anschrift angibt, unter der er zwar postalisch zu erreichen ist, oder ob der Vorsteuerabzug die Angabe einer Anschrift des Steuerpflichtigen voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet.
EuGH-Urteil könnte bisheriger BFH-Rechtsprechung entgegenstehen
Die Vorlagen sind erforderlich geworden, weil das Urteil des EuGH vom 22. Oktober 2015 (Az. C-277/147) möglicherweise den Schluss zulässt, dass es für den Vorsteuerabzug nicht auf das Vorliegen aller formellen Rechnungsvoraussetzungen ankommt oder zumindest die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen keine Anschrift voraussetzt, unter der wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet wurden. Der BFH hat deshalb Zweifel, ob seine bisherige ständige Rechtsprechung, nach der die formellen Rechnungsvoraussetzungen die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet, mit dieser Rechtsprechung des EuGH in Einklang steht.
Fehlen formelle Rechnungsvoraussetzungen, kann nach der Rechtsprechung des BFH der Vorsteuerabzug unter bestimmten Voraussetzungen in einem gesonderten Billigkeitsverfahren aus Vertrauensschutzgesichtspunkten gewährt werden. Der BFH hat den EuGH in beiden Vorabentscheidungsersuchen insoweit um Klärung der Voraussetzungen für effektiven Vertrauensschutz gebeten.
(BFH / STB Web)
Artikel vom: 06.07.2016
Quelle: STB Web.