Wann ist eine längere Fahrtstrecke als verkehrsgünstiger im Rahmen der Berechnung der Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte steuerlich anzuerkennen? Hiermit hat sich das Niedersächsische Finanzgericht beschäftigt.

Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte können als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen.

Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte

Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat, ist eine Straßenverbindung dann als verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine andere – längere – Straßenverbindung nutzt und die Arbeitsstätte auf diese Weise trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller und pünktlicher erreicht.

„Offensichtlich“ verkehrsgünstiger ist die vom Arbeitnehmer gewählte Straßenverbindung dann, wenn ihre Vorteilhaftigkeit so auf der Hand liegt, dass sich auch ein unvoreingenommener, verständiger Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der Strecke entschieden hätte. Dass bei extremen Stauverhältnissen die Umwegstrecke auch mal verkehrsgünstiger und schneller sein kann, reicht insoweit nicht aus.

„Google Maps“-Recherche zur Strecke

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze kam im Streitfall eine Erhöhung der Entfernungspauschale nicht in Betracht (Urteil vom 3. April 2024, Az. 9 K 117/21, rechtskräftig). Das Niedersächsische Finanzgericht konnte schon nicht feststellen, dass die vom Kläger benutzte längere Strecke verkehrsgünstiger ist als die kürzeste Strecke. Nach der „Google Maps“-Recherche des Gerichts ist diese bei üblicher Verkehrslage nicht nur um 27,5 km kürzer, sondern auch um 11 Minuten schneller.

Prüfung von Verkehrsstörungen

Bei extremen Stauverhältnissen könne die Umwegstrecke freilich auch mal verkehrsgünstiger und schneller sein. Entscheidend sei jedoch, ob die erste Tätigkeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen durch Benutzung der Umwegstrecke in der Regel schneller und pünktlicher erreicht werde. Eine diesbezügliche Überzeugung konnte sich das Gericht nicht bilden und es liege auch nicht auf der Hand, dass eine 27,5 km längere Strecke schneller sei.

Auch der höheren Zahl der Ampeln und der erforderlichen Fahrt durch die Innenstadt bei Benutzung der kürzeren Strecke kamen hier keine entscheidende Bedeutung zu.

Krankheitsbedingte Zumutbarkeit der Benutzung einer bestimmten Strecke

Schließlich hat das Gericht die Frage nach der Zumutbarkeit der Benutzung der kürzeren Strecke aufgrund der Krankheitssituation des Klägers geprüft. Dieser schilderte eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung infolge eines Verkehrsunfalls sowie Schwerbehinderung nach Rücken-OP und Rückenschmerzen mit der Erforderlichkeit von Pausen.

Zwar hatte das Finanzgericht Hamburg in einem Fall eine amtsärztlich attestierte Höhenangst ausreichen lassen, um die Benutzung einer kürzeren Strecke, die über eine Brücke führt, als nicht zumutbar anzusehen (Urteil vom 24. März 2003, Az. II 61/02).

Für eine erhöhte Unfallgefährlichkeit der kürzeren Strecke hat der Kläger hier jedoch keine nachvollziehbaren Belege vorgelegt und konnte das Gericht von seiner Argumentation nicht überzeugen.

(Nieders. FG / STB Web)

Artikel vom: 28.08.2024