20160322CET184801+0100 Ist ein im Krankenhaus tätiger „Honorararzt“ sozialversicherungspflichtig?
Das Landessozialgericht (LAG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass „Honorarärzte“, die entsprechend ihrer
ärztlichen Ausbildung in den klinischen Alltag eingegliedert sind und einen festen Stundenlohn erhalten, regelmäßig
abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig sind.
Im zugrundeliegenden Fall hatte das klagende Krankenhaus mit einer Gynäkologin (Beigeladene) einen „Honorararztvertrag“ geschlossen. Die Ärztin sollte für die Dauer von einem Monat Patienten in der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe betreuen und behandeln. Die Beigeladene sollte nach dem Wortlaut des abgeschlossenen „Honorararztvertrages“ als „Selbständige“ tätig sein, sich also selbst versichern. Der „Honorararztvertrag“ kam mithilfe einer Onlinevermittlung zustande. Als Stundenlohn waren 60 Euro vereinbart. Die Patienten wurden der Ärztin zugewiesen. Die Behandlung erfolgte entsprechend der Ausbildung selbständig, das Letztentscheidungsrecht hatte der Chefarzt. Die Gynäkologin arbeitete im Team mit den im Krankenhaus tätigen weiteren Ärzten und dem nichtärztlichen Personal.
Das klagende Krankenhaus beantragte bei der beklagten Rentenversicherung die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen
Satus der beigeladenen Gynäkologin. Die Rentenversicherung stellte fest, dass die Ärztin im Krankenhaus im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig war und daher Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht war die Ärztin befreit).
Kein Unternehmerrisiko, keine Handlungsspielräume
Das LAG hat in seinem Urteil vom 16.12.2015 (Az. L 2 R 516/14) bestätigt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen Gynäkologin in dem
Krankenhaus als abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzuordnen sei. Dies ergebe sich vor allem daraus, dass die Ärztin kein Unternehmerrisiko zu tragen habe und im Wege der funktionsgerecht dienenden Teilhabe in den Arbeitsprozess des Krankenhauses eingegliedert sei. Entscheidend sei die Eingliederung in den Betrieb. Dabei sei die jeweilige Tätigkeit zu beurteilen, nach dem der einzelne Dienst angetreten worden sei. Die Ärztin habe im Team mit den anderen Mitarbeitern des Krankenhauses gearbeitet. Dass sie, solange der Chefarzt ihr diesbezüglich keine konkreten Vorgaben erteilt hatte, selbst entscheiden konnte, in welcher Reihenfolge sie die ihr jeweils zugewiesenen Patienten behandelte, entspreche dem Ablauf auf Station. Dabei komme es nicht darauf an, mit welcher Häufigkeit chefärztliche Weisungen tatsächlich erteilt wurden. Etwaige
Handlungsspielräume für die Ärztin, die gegen die jedenfalls funktionsgerecht dienende Eingliederung in den Betrieb der Klägerin sprechen könnten, lägen nicht vor.
Keine Beteiligung, kein Kapitaleinsatz
Der Senat hat weiter ausgeführt, dass die Gynäkologin auch kein unternehmerisches Risiko getragen habe. Eine Gewinn- und Verlustbeteiligung, die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen könnte, sahen die vertraglichen Vereinbarungen ausdrücklich nicht vor. Der Einsatz eigenen Kapitals sei nicht erkennbar. Eigene Betriebsmittel – bis auf die Arbeitskleidung – seien nicht eingesetzt worden. Über eine eigene Betriebsstätte habe die Beigeladene ohnehin nicht verfügt. Sie sei auf der Abteilung für Gynäkologie und im Kreißsaal der Klägerin eingesetzt gewesen. Die erforderlichen Arbeitsmittel seien dort vorhanden gewesen.
(LAG Niedersachsen-Bremen / STB Web)
Artikel vom: 22.03.2016
Quelle: STB Web.