Die Krankschreibungen bewegen sich auf historisch hohem Niveau. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat die Entwicklung analysiert. Eine Korrelation zwischen dem hohen Krankenstand und der Einführung der telefonischen Krankschreibung kann danach nicht bestätigt werden.

Wesentlicher Treiber der Entwicklung sind laut der WIdO-Expertin Johanna Baumgardt nach wie vor die Atemwegserkrankungen. Der Krankenstand liege höchstwahrscheinlich aufgrund einer erhöhten Empfänglichkeit für Infektionen und aufgrund der neuen, zusätzlichen viralen Erkrankungen der letzten Jahre insgesamt höher.

Es gebe aber auch andere mögliche Gründe: So könne die Einführung der elektronischen Krankmeldungen zu einer vollständigeren Erfassung der AU-Bescheinigungen beigetragen haben. „Es ist zu vermuten, dass vor der Einführung der eAU nicht alle Versicherten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Kasse eingereicht haben, sodass wir nun ein vollständigeres Bild haben“, so Baumgardt.

Keine Hinweise auf Missbrauch der telefonischen Krankschreibung

Die AOK-Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann ging auf der Pressekonferenz zum aktuellen Fehlzeiten-Report 2024 am 8.10.2024 auf einen weiteren Aspekt ein, der zuletzt im Zusammenhang mit den hohen Krankenständen diskutiert worden ist: Mitte September hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung gefordert, weil es eine Korrelation zwischen dem hohen Krankenstand und der Einführung dieser Maßnahme gebe.

„Diese gefühlte Wahrheit können wir nicht bestätigten“, betonte Reimann. „Verschiedene Auswertungen des WIdO zu den Fehlzeiten in der Pandemie lassen den Schluss zu, dass mit der damals neu eingeführten Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung sehr verantwortungsvoll umgegangen worden ist.“ Weder 2020 noch 2021 seien im Zusammenhang mit der damals neu eingeführten Option höhere Krankenstände zu sehen gewesen.

Sie könne vielmehr eine Möglichkeit sein, die Arztpraxen gerade in Infektionswellen zu entlasten, und zu einer Reduzierung von Kontakten mit erkrankten Personen beitragen, sagte Reimann. Sie sprach sich für eine Beibehaltung dieser Möglichkeit aus, die der Gemeinsame Bundesausschuss im Dezember 2023 dauerhaft beschlossen hatte.

Stetiger Anstieg bei psychischen Erkrankungen

Ein langfristig wirkender Faktor für höhere Krankenstände ist laut Report der stetige Anstieg von Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen, die besonders lange Krankschreibungen verursachen. So haben die AU-Tage aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2014 um knapp 47 Prozent zugenommen. Als Ursache vermutet die AOK bzw. WIdO ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren – von der Zunahme psychischer Belastungen durch globale Krisen bis zu Veränderungen in der Arbeitswelt wie Verdichtung und Entgrenzung der Arbeit durch ständige Erreichbarkeit.

Zusammenhang zwischen Bindung und Gesundheit

Als weiteres Ergebnis der WIdO-Studie zeigte sich, dass emotional stärker an den aktuellen Arbeitgeber gebundene Mitarbeitende seltener krankgeschrieben sind und seltener trotz Erkrankung zur Arbeit gehen. Damit bestätigt der Fehlzeiten-Report den Zusammenhang zwischen höherer Bindung der Beschäftigten an eine Organisation und besserer Gesundheit, der auch in anderen Studien nachgewiesen werden konnte.

(AOK-Bundesverband / STB Web)

Artikel vom: 10.10.2024