20180123CET152751+0100 Arzthaftung: Patient muss bei „relativ“ indizierter OP besonders aufgeklärt werden

Besteht nur eine relative Indikation zur Vornahme eines operativen Eingriffs, muss ein Patient dezidiert mündlich über die echte Alternative einer konservativen Behandlung aufgeklärt werden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm klargestellt.

Der Kläger stellte sich im wegen therapieresistenter Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich in einem Krankenhaus vor, indem der Beklagte als Belegarzt tätig war. Nach einigen Tagen stationären Aufenthalts mit einer konservativen Behandlung führte der Beklagte nach einem erstellten CT ein Aufklärungsgespräch mit dem Kläger, indem er zu einer operativen Versorgung des verengten Wirbelkanals der Lendenwirbelsäule riet, den er dann auch ausführte. Nach der Operation stellten sich neurologische Ausfälle, Lähmungen und weitere Störungen beim Klägers ein. Auch zwei Revisionsoperationen bewirken keine nachhaltige Verbesserung.

Arzt haftet aufgrund unzureichender Aufklärung über Alternativen

Das OLG Hamm hat dem Kläger nach ergänzender Begutachtung durch medizinische Sachverständige nunmehr Schadensersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 Euro zugesprochen. Der Beklagte hafte, so der Senat in seinem Urteil vom 15.12.2017 (Az. 26 U 3/14 OLG Hamm), weil er den Kläger vor dem ersten Eingriff unzureichend aufgeklärt habe. Die erteilte Einwilligung des Klägers sei insoweit nicht wirksam. Zudem sei – entgegen der Ansicht des vorinstanzlichen Landgerichts – auch nicht von einer hypothetischen Einwilligung des Klägers auszugehen. Für den vorgenommenen operativen Eingriff habe mangels neurologischer Ausfallerscheinungen beim Kläger nur eine relative Indikation bestanden. Alternativ habe die konservative Behandlung als echte Behandlungsalternative fortgesetzt werden können. Hierüber habe der Beklagte den Kläger aufklären müssen.

Je weniger dringlich der Eingriff, desto weitgehender die Aufklärungspflicht

Nach der Rechtsprechung sei die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Gebe es aber – wie im vorliegenden Fall – mehrere Behandlungsmöglichkeiten, unter denen der Patient eine echte Wahlmöglichkeit habe, müsse ihm durch eine entsprechend vollständige Aufklärung die Entscheidung überlassen werden, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen solle und auf welches Risiko er sich einlassen wolle. Je weniger dringlich sich der Eingriff – nach medizinischer Indikation und Heilungsaussicht – in zeitlicher und sachlicher Hinsicht darstelle, desto weitgehender seien Maß und Genauigkeitsgrad der Aufklärungspflicht. So sei bei einer nur relativ indizierten Operation regelmäßig auch eine Aufklärung über die Möglichkeit einer abwartenden Behandlung oder das Nichtstun geboten.

(OLG Hamm / STB Web)

Artikel vom: 23.01.2018

Quelle: STB Web.